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Nasaru-Olosho-Gemeindeschutzgebiet

Beispielprojekte

Verlust und Hoffnung

Winnie Ketito Sonkes Vater war Lehrer an einer örtlichen Schule. Er starb bei der Begegnung mit einem Elefanten, auf dem Heimweg von einer Sportveranstaltung. Das Haus der Familie schon in Sichtweite rannte er los, um sich zu retten. Doch er stolperte über eine Baumwurzel, stürzte zu Boden und dann war es zu spät. Seitdem lassen Winnie Ketito Sonko die Gedanken an ihren Vater und die Umstände seines Todes nicht los – zu tief sitzt der Schmerz. Ohne ihren Vater als Hauptverdiener brach Winnie ihr Studium ab, um ihre Familie zu unterstützen. Doch ihr Wunsch, die Universität zu beenden, blieb stark. Ebenso ihr Wille dazu beizutragen, dass keine andere Familie ähnliches Leid durchmachen muss. Winnie Ketito Sonke möchte, dass die Konflikte zwischen Menschen und Tieren gelöst werden und dass die Menschen von ihrem Land und von den Wildtieren profitieren.

Wenn der Schulweg nicht sicher ist

Konflikte mit Wildtieren sind eine der größten Herausforderungen für die Menschen in Nasaru Olosho. Sie leben unweit des Amboseli-Nationalparks und wie auch anderswo bleiben die Wildtiere nicht innerhalb der Parkgrenzen: Ihre Lebensräume enden nicht dort, wo Menschen eine willkürliche Linie gezogen haben. Löwen, Zebras, Büffel und Elefanten suchen auch außerhalb des offiziellen Schutzgebietes nach Wasser oder Beute. Das führt zu gefährlichen Begegnungen – für die Menschen, aber auch für die Tiere. Wenn die Siedlungen der Menschen in einem der wichtigsten Wildtier-Wanderkorridore der Region liegen, ist die Wahrscheinlichkeit für einen Konflikt besonders groß. So wie in Nasaru Olosho in der Amboseli-Region.

Viele Familien hier haben bereits Angehörige durch Konflikte mit Wildtieren verloren. Es gab eine Zeit, als sich Eltern sorgten, wenn ihre Kinder das Haus verließen, um zur Schule zu gehen. An der Grundschule Oloikara zum Beispiel kam es des Öfteren vor, dass sich Elefanten auf der Suche nach Nahrung oder Wasser bis auf das Schulgelände vorwagten. Dort zerbrachen sie die Wassertanks aus Plastik und zerstörten Leitungen, die die Schule mit Wasser aus dem Brunnen versorgen. An manchen Tagen blockierten Elefanten über Stunden hinweg den Schulhof – an Unterricht war dann nicht zu denken.

Wie also können die Menschen im Einklang mit der Natur leben? Wie kann der Naturreichtum der Region bewahrt werden und wie können die Konflikte zwischen Menschen und Wildtieren entschärft werden? Als Antwort auf diese Fragen entwickelte der WWF gemeinsam mit den Menschen vor Ort ein Modellprojekt, dessen zentraler Baustein die Gründung eines Gemeindeschutzgebiets ist: der Nasaru Olosho Conservancy.

Eine neue Perspektive: das Modellprojekt von Nasaru Olosho

Drei Ziele stehen in dem Modellprojekt im Vordergrund: den wichtigsten Wildtierkorridor der Region sichern, die Konflikte zwischen Menschen und Wildtieren entschärfen und Perspektiven schaffen, so dass die Gemeinden von der intakten Natur profitieren. Für die rund 15.000 Einwohner:innen der teilnehmenden Dörfer markierte das Modellprojekt einen Wendepunkt. Im Kern steht die Gründung der Nasaru Olosho Conservancy:

Dieses Gemeindeschutzgebiet fügt sich wie das fehlende Teil eines Puzzles in den Wildtierkorridor ein, der wiederum eine wichtige Verbindung zwischen den Landschaften Amboseli, Chyulu Hills und Tsavo schafft. Damit ist dieser bislang unzureichend geschützte Wanderweg für Wildtiere gesichert.

Das Gemeindeschutzgebiet ist aber nicht nur wertvoller Lebensraum für Wildtiere, sondern eröffnet Perspektiven für Einnahmen aus Naturtourismus und schafft neue Jobs. Zum Beispiel werden Gemeindewildhüter:innen eingestellt, die nicht nur gegen Wilderei vorgehen, sondern eine zentrale Rolle bei der Entschärfung von Konflikten zwischen Menschen und Wildtieren innehaben. Die Wildhüter:innen wissen zum Beispiel sehr genau, wo sich gerade Elefanten aufhalten und benachrichtigen die Gemeindemitglieder sofort, wenn sich eine gefährliche Situation anbahnt. Sie schützen die Schüler:innen auf ihrem Schulweg und auch die Schulen selbst sind jetzt ein sicherer Ort: Solarbetriebene Elektrozäune halten Elefanten und andere Wildtiere von den Schulhöfen fern. 

Viele Konflikte entstehen, weil Menschen und Tiere um das rare Gut Wasser konkurrieren. Neue Regenwassertanks aus Beton und weitere Trinkwasserbrunnen bedeuten für die Menschen daher mehr Sicherheit: Ihre Wege zum Wasser sind kürzer und können besser bewacht werden. Die Wahrscheinlichkeit einer gefährlichen Begegnung mit einem Löwen oder Elefanten sinkt – und die Akzeptanz für Wildtiere steigt!

Vertrauen in eine bessere Zukunft

Den Schmerz über den Verlust eines Angehörigen kann nichts wieder gut machen. Doch die Sorgen der Eltern, ob ihre Kinder von der Schule sicher nach Hause kommen, sind in Nasaru Olosho weniger geworden. Die Menschen unterstützen „ihr Modellprojekt“ – gerade auch im Andenken an das, was ihnen widerfahren ist. So wie Winnie Ketito Sonke. Sie arbeitet jetzt für das Nasaru Olosho Schutzgebiet und trägt in ihrer Gemeinde aktiv dazu bei, dass Mensch-Wildtier-Konflikte gelöst werden. Und sie erfüllt sich ihren Traum: Mit ihrem Verdienst unterstützt sie nicht nur die Ausbildung ihrer Geschwister, sondern kehrte auch an die Universität zurück, um ihr Studium abzuschließen.

Im Gespräch

Johannes Kirchgatter, Referent für südliches und östliches Afrika beim WWF Deutschland

Ein Aspekt dieses Modellprojektes ist die Sicherung des Wildtierkorridors. Solche Wanderwege sind einer der Dreh- und Angelpunkte in ganz Unganisha. Warum sind sie so wichtig?

Um die Antwort auf diese Frage zu verstehen, muss man sich vorstellen, wie Wildtiere leben: Elefanten, Zebras, Gnus, Löwen oder Nashörner suchen im Jahresverlauf unterschiedliche Lebensräume auf. Sie folgen dem Regen und suchen Orte auf, an denen sie Nahrung finden. Nur so können sie überleben. Im Naturraum Unganisha liegen zwar acht bedeutende nationale Schutzgebiete, darunter Nationalparks wie die Serengeti, Amboseli und Tsavo. Doch sie allein reichen eben nicht aus, um den Naturreichtum der Region als Ganzes zu bewahren. Ebenso wichtig ist der Schutz der Natur auf den Flächen dazwischen – dort, wo Menschen siedeln, wo sie ihre Felder bestellen und wo ihre Viehherden weiden. In diesem Zusammenhang erfüllen Wildtierkorridore in der Landschaft außerhalb von staatlichen Schutzgebieten eine besonders wichtige Funktion: Sie verbinden die Kernlebensräume von Elefanten und anderen Arten, ermöglichen den genetischen Austausch zwischen Populationen und tragen so zu deren Überlebensfähigkeit bei. Wenn solche Wanderwege durch Zäune und Siedlungen versperrt sind, dann werden diese Lebensadern durchtrennt. Dafür suchen wir nach Lösungen.

Die Gründung der Nasaru Olsoho Conservancy war ein Meilenstein für dieses Modellprojekt. Besteht die Gefahr, dass die geschützten Flächen künftig doch wieder anderen Interessen zum Opfer fallen?

Es ist tatsächlich alles andere als trivial, ein Gemeindeschutzgebiet zu gründen und so ein Gebiet auf Dauer zu schützen. Problematisch wird es zum Beispiel dann, wenn es wie in diesem Fall überhaupt keine Flächennutzungsplanung gibt. Ohne diese Planung gibt es auch keine Rechtssicherheit und es bestand die Gefahr, dass das Nasaru Olosho Gemeindeschutzgebiet künftig wieder geschwächt werden könnte, indem Teile des Landes einer anderen Nutzung zugeführt würden. Die Menschen vor Ort wollten aber diese Sicherheit und sie haben es mit der Hilfe des WWF geschafft, dass die Nasaru Olosho Conservancy offiziell als „Conservancy Nature Trust“ und Mitglied des nationalen Dachverbands für Schutzgebiete in Kenia anerkannt wurde. Damit sind die Flächen des Gemeindeschutzgebiets auf Dauer geschützt. Jetzt hilft der WWF dabei, die Conservancy zu einem Modellschutzgebiet auszubauen. Dazu gehört zum Beispiel die Arbeit mit Gemeindewildhüter:innen, aber ebenso, einen fundierten Managementplan auszuarbeiten. Das sind die ersten Schritte, wir arbeiten jetzt sehr intensiv vor Ort an weiteren Maßnahmen.

Gibt es einen Aspekt in diesem Projekt, der dich persönlich besonders berührt hat?

Ja, es gibt diese Momente vor allem, wenn du als Projektleiter vor Ort bist, mit den Menschen sprichst und siehst, wie sie leben. Wo ihre Nöte sind. Und wie das, was wir gemeinsam mit ihnen geschaffen haben, wirklich Früchte trägt. Als mir die Frauen in Nasaru Olosho einen der neuen Trinkwasserbrunnen zeigten, war das so ein Moment. Ich konnte spüren, was für ein Glück das saubere Wasser im Leben dieser Frauen bedeutet. Vorher mussten sie zum Teil bis zu 20 Kilometer weit laufen, um Wasser für ihre Familien zu holen! Jetzt haben sie die Wasserstelle quasi vor ihrer Haustür und es bleibt ihnen viel mehr Zeit für andere Dinge. Das vor Ort zu erleben, hat mich sehr berührt.

Video: Drei Frauen in Nasaru Olosho

Elizabeth Tumeso ist Rangerin in Nasaru Olosho. Sie erzählt von ihrer Arbeit im Gemeindeschutzgebiet, ihren Hoffnungen und Wünschen. Die Imkerin Happiness Mutunkei berichtet von der besonderen Situation der Frauen und Susan Saleto aus dem Dorf Lolkiu Nasaru Olosho teilt ihre Sicht auf die Wildtiere und das Gemeindeschutzgebiet.

Steckbrief Nasaru Olosho Gemeindeschutzgebiet

Größe:

68400 Hektar

Landeigentümer:

1.700

Gemeindemitglieder:

rund 15.000

Ziele:

Ein intaktes Ökosystem bewahren; die Lebensbedingungen der Menschen vor Ort verbessern; Mensch-Wildtier-Konflikte entschärfen; Wanderkorridore von Wildtieren und gesunde Populationen von Schlüsselarten wie Löwe, Elefant und Giraffe bewahren.

Gründungsjahr:

2022 (Registrierung)